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Südamerika erleben

Die Frachtschiffsreise

Über Nacht nach Hamburg

Nachdem sich sich der Zustand von Patty, unserem Patrol, leider als weit schlechter als annonciert herausstellte, dauerten die verschiedenen Werkstattarbeiten statt wie ursprünglich prognostiziert bis Mitte Februar dann schließlich bis Mitte Mai. Statt 3 Monate blieben also nur wenige Tage, um das Fahrzeug kennenzulernen, umzubauen und reisefertig zu machen. All unsere Pläne mussten auf ein Minimum zusammengedampft werden. Es fühlt sich recht mulmig an, schließlich mit so wenig Kenntnis über Patty auf eine einjährige Tour zu gehen. Nach einer recht kurzen Verabschiedung von der Familie ging es schließlich gegen 20:00 Uhr auf die gut 600 km lange Strecke nach Hamburg. Wie befürchtet kam es zu längeren Feiertagsstaus auf der Autobahn. Zudem machte sich der extrem wenige Schlaf der letzten Tage bemerkbar. Fünf kurze Schlummer pausen, waren notwendig, um ohne Risiko an dem von Seabridge angegeben Termin (31.05. 10:Uhr) am Kai zu sein. Wie üblich waren wir pünktlich, konnten aber erst mit 25 Stunden Verspätung an Bord. Uns kam diese Extrazeit in Hamburg recht gelegen. Wir gingen zum Mittagessen auf den Hamburger Fischmarkt und genossen einen ruhigen Nachmittag in Blankenese, wo wir zum ersten Mal im neu hergerichteten Bett von Patty übernachteten. Wir schliefen sehr gut.
Am nächsten Morgen haben wir unsere letzten Euro für Reiseproviant ausgegeben. Schließlich steht in einigen Reiseberichten, dass das Essen an Bord teilweise recht eintönig und knapp ausfallen kann. Kurz nach 11:00Uhr fuhren wir schließlich in den Bauch der Grande Africa, mit uns Liesl und Gebhard, ein etwas älteres Ehepaar, das mit einem Toyota Expeditionscamper unterwegs ist. Der Sicherheitsoffizier an Bord gab uns eine kurze Einweisung und sagte uns, dass wir in der Nacht gegen 23:00 Uhr ablegen würden. Es blieb also genug Zeit, noch ohne Seegang das Schiff zu erkunden. Bei sommerlicher Hitze saßen wir gerade beim ersten gemeinsamen Abendessen, als einem von uns vieren auffiel, dass sich unser Schiff bereits bewegte. Erster Juli 2018, 19:00 Uhr, wir waren endgültig unterwegs Richtung Südamerika.

an Bord der Grande Africa

Schnell haben wir uns in unsere neue Umgebung eingewöhnt. Die nächsten gut 30 Tage „wohnten“ wir in einer kleinen Kabine ohne Fenster mit Stockbett und kleinem Bad mit Dusche, stets begleitet vom Dumpfen Grollen des großen Dieselmotors des Schiffes. Ein Fitnessraum mit verschiedenen Geräten, Hanteln und einer Tischtennisplatte bot die Möglichkeit sich einigermaßen fit zu halten. Frühstück gab es ab 7:30 Uhr, Mittagessen ab 12:00 Uhr und Abendessen ab 18:00 Uhr.
Das Essen war fast ausnahmslos sehr lecker, meist sehr umfangreich und voll nach unserem Geschmack. Wir konnten kaum glauben, wie viel Knoblauch zum Einsatz kam! Die Gerichte waren recht fleischlastig mit viel Lamm, Rind, auch Innereien und super zarte Zunge. Daneben wurde auch Fisch und Meeresfrüchte aufgetischt, dazu frischer Salat, Obst und meist verschiedene Beilagen. Zu jedem Mittag- und Abendessen wurde uns wahlweise ein Glas Rot- oder Weißwein serviert. Das letzte Einkaufen von Reiseproviant war also völlig überflüssig.
Der Kapitän, an Bord „Master“ genannt, war Pole, seine Offiziere kamen aus Bulgarien und Polen, die Crew bestand aus Philippinen. Es war eine sehr nette Truppe, insgesamt 26 Mann. Die Zeit an Bord beträgt zwischen einer Tour (ca. 2 Monate) für Kapitän und seine Offiziere und 4 Touren (ca. 8 Monate) für den einfachen Seemann aus den Philippinen.
Die Crew ging meist Wartungs- und Alltagsarbeiten nach, die zwei Mal durch eine Feuerübung bis hin zum Einsteigen in die Rettungsboote unterbrochen wurde. Eine Grillparty auf hoher See übertraf noch das bereits gewohnt gute Essen. Vom Kadett bis zum Master hatten wir alle ein paar ausgelassene Stunden. Dazu wurde ein Basketballturnier ausgetragen. Wir Passagiere durften mitspielen. Zwar wurde uns versichert, dass es nur um den Spaß an er Sache ginge. Schnell spürten wir, dass viele doch mit großem Ehrgeiz bei der Sache waren. Solange wir auf hoher See fuhren, wurden wir von der Crew in deren „Messroom“ eingeladen. Wir feierten zusammen und übertrafen uns gegenseitig mit unseren Karaokeedarbietungen. Etwas schräg aber wahnsinnig nett! Vor dem Einlaufen in einen Hafen stieg das Arbeitspensum für die Besatzung stark an, beim Be- und Entladen in den Häfen wurde rund um die Uhr gearbeitet und man bekam kaum ein Besatzungsmitglied zu Gesicht. Dazu kam teils eine Bereitschaft auf unbestimmte Zeit, abhängig vom Termin des Einlaufens in den jeweiligen Hafen, der sich immer wieder teils bis um Tage verschieben kann.

die Route

Nach dem Auslaufen aus Hamburg ging es auf dem kürzesten Weg zum einzigen afrikanischen Hafen, Conakry. Auf dem Weg dorthin passierten wir den Ärmelkanal und die Kanaren. Endlich konnten wir auch den höchsten Berg Spaniens bewundern. So in der warmen Morgensonne wirkte dieser Teil Spanien sehr einladend. Das, was wir in Afrika vom Schiff aus sehen konnten, wirkte kaum anziehend, nur manche Crewmitglieder verließen das Schiff für das BE- und Entladen. Anschließend ging es auf direktem Wege weiter zum ersten brasilianischen Hafen, Vitoria. Unterwegs überquerten wir den Äquator. was mit einer ausgiebigen Dusche für alle Neulinge gewürdigt wurde. Unser Highlight aber war Rio den Janeiro. Schon die Hafeneinfahrt vorbei an Copacabana, Zuckerhut und Cristo Redendor, der Christusstatue war faszinierend. Dass wir unerwartet doch zur Copacabana konnten – ursprünglich hieß es, wir wären nur wenige Stunden im Hafen – war die Gelegenheit, Nataschas Geburtstag mit Kokuswasser und Caipirinha nachzufeiern. Eigentlich nur ein Strand wie viele andere, flaniert von in die Jahre gekommenen Hochhäuser, ist es der Flair, der uns in den Bann zieht. All die Bars, so unterschiedliche Leute, das bunte Treiben und nach Sonnenuntergang die vielen Livebands sind nur einige der Zutaten für diese zauberhafte Stimmung. Die weiteren Hafenaufenthalte in Brasilien waren kaum erwähnenswert. Nach knapp vier Wochen lagen wir dann nahe Montevideo vor Anker und warteten darauf, auf den Rio de la Plata und weiter nach Zárate fahren zu dürfen. Leider haben wir in Argentinien knapp eine Woche verloren. Offensichtlich gab es Probleme mit dem Zoll. Laut übereinstimmenden Aussagen verschiedner Offiziere wollte man eine große Summe Geld, der Master weigerte sich aber auch nur einen Peso zu bezahlen. Und so blieben auch unsere Pässe zunächst unereichbar und wir konnten das Schiff nicht wie geplant verlassen. Sehr ärgerlich! Doch wir übten uns darin, sich nicht über Dinge aufzuregen, die man selber nicht beeinflussen kann. Als wir dan endlich von Bord durften, wurde uns dieser Umstand mit einem sehr leckeren Abendessen in Zárate, dem letzten Hafen vor Montevideo, versüßt. Donko, ein wahnsinnig netter Bulgare, kümmerte sich rührend um uns. Schon lange schwärmte er von diesem Restaurant mit auf offenem Feuer gegrillten Steaks, Chorizos und anderen Leckereien.
Noch eine weiter Nacht im Hafen und dann ging es endlich los Richtung Montevideo. So faszinierend die Zeit an Bord auch war, wir sehnten uns auf den Moment, mit Patty aus der Grande Africa zu fahren und auf große Entdeckungstour zu gehen.

Rückblick

Was bleibt von dieser Schiffstour? Wir würden es sofort wieder so angehen. Mit dem heutigen Kenntnisstand allerdings mit mehr Euro und Dollar und weniger Klamotten und Proviant im Gepäck (alkoholische Getränke und Zigaretten können zollfrei mit eben € oderUS$ gekauft werden). Ratsam ist es sicher auch, sich mit mehr Disziplin den leckeren Mahlzeiten zu nähern. Statt viel zu verdauern bleibt so mehr Zeit fürs Spanisch lernen, Reise vorbereiten oder andere sinnvolle Beschäftigungen.
Und wir bekamen Einblicke in ein Welt, die uns bislang vollkommen verschlosse blieb: Frachtschiffe und Seeleute! Uns war gar nicht bewusst, was so alles über die Meere geschippert wird. Allein die Tausende von Autos, die wir auf dieser einen Tour von Hafen zu Hafen bewegten, waren sehr beeindruckend. Und da sind Unmengen solcher Schiffe unterwegs, davon viele reine Autotransporter. Von all den reinen Containerschiffen gar nicht zu reden. Und das mit Schiffsdieseln, die dreckiges Schweröl verbrennen. Ich frage mich da schon ab un zu, ob man wirklich Abermillionen von Autos über die Ozeane verschiffen muss. Übrigens: All die schönen VW, Opel (hier laufen sie unter Chevrolet) oder Mercedesmodelle, um nur einige zu nennen, könnten nie in Europa zugelassen werden, weil sie u.a. die Abgaswerte nicht einhalten.

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