leute-laender-leckereien.de

Südamerika erleben

leute-laender-leckereien.de

Zurück bei Marcelo – Schlemmen ohne Ende, gefährliche Bäume :) und Momente ohne Strom [ 3 Galerien]

Vom Ende der Carretera Austral waren es gerade 120 Kilometer zu Marcelos Hof, dazu auf einer autobahnähnlich ausgebauten Straße. Wir sendeten ihm eine Nachricht, dass wir in wenigen Stunden da seien und fragten, was wir denn noch einkaufen und mitbringen sollten. Die Antwort kam prompt: Habe leider wenig zu Essen da. Also fuhren wir zunächst nach Osorno in einen Supermarkt. Ungefähr eine Woche würden wir dableiben, manchmal werden Marcelos Frau und Töchter da sein, an anderen Tagen sicher auch Samuel, sein Angestellter. Neben anderen Sachen kauften wir rohes und leicht geräuchertes Rindfleisch für einen gulaschähnlichen Eintopf, einige Chorizos sowie Longanizas, ein ganzes Huhn sowie verschiedenes Gemüse, dazu noch Rotwein zum kochen und trinken. Eigentlich nicht zu viel für sieben Tage, doch am Ende wurde es eine einzige, lange aber feine Schlemmerei. Es begann mit meiner Frage, was ich den aus meinen Cochayuyo, den getrockneten Braunalgen machen könnte. Marcelo schlug vor, diese in einem Linseneintopf zuzubereiten. Und schon hatten wir ein weiteres, nicht eingeplantes Gericht. Samuel meinte, er hätte noch nie so leckeren Cochayuyo gegessen und auch Marcelo war begeistert und bat, das Gericht nochmal für seine und eine befreundete Familie an einem Abend zu kochen. Seine Frau Ximena bereitete dazu Frischen Lachs in der Pfanne. Vorher fuhren wir mit ihr auf zwei Märkte in Osorno. In einer Metzgerei sah ich Weißwürste und erzählte ihr, dass die typisch für unserer Heimat sind. Ohne das wir es mitbekamen kaufte Ximena uns eine Packung mit 5 Weißwürsten. Und schon hatten wir zwei weitere zusätzliche Mahlzeiten. Doch was machst Du nur mit Weißwürsten? Schnell hatte ich die Idee, ein komplettes Weißwurstfrühstück auf die Beine zu stellen. Fehlten ja nur noch Brezeln, süßer Senf und ein paar Flaschen Weißbier. Das Bier fand ich in einem Supermarkt in der Stadt. Bei Brezen und Senf mussten wir uns selber behelfen. Dank dem Internet hatten wir schnell einige Rezepte zusammen. Für den Brezelteig war alles im Haus, das Herstellen eines Weißwurstsenfs war schon schwieriger. Marcelo hatte noch ein Glas Senf mit ganzen hellen sowie dunklen Senfsamen. Doch dieser war zu hell und scharf zudem fehlte Säure. Mit folgenden einigen Zutaten kamen wir dann aber doch recht nah an den typischen Geschmack. Für die Süße rührte ich einigen braunen Zucker sowie eigens dafür auf die Schnelle zubereitetes Apfelkompott unter den Ausgangssenf. Für Farbe und Säure kam ein guter Schuss Worcestersauce dazu. Dann das Ganze wenige Sekunden mit dem Stabmixer bearbeiten und fertig war unser Weißwurstsenf. Und der war seeehr lecker. Erstaunlich war, dass sich das Volumen durch Apfelmus und Zucker fast verdreifacht hat! Auch das mit den Brezeln machte sich sehr gut. Unsere ersten 12 Testbrezeln waren im Nu vertilgt. Sie waren nicht perfekt, haben aber die Erwartungen voll erfüllt. Am folgenden Morgen kamen dann über 40 Brezen in den Ofen. Alles sah gut aus, doch irgendetwas etwas stimmte nicht. Es fehlte der „Knoten“ im Rohling. Das Weißwurstfrühstück hatte es in sich. Um schönere Bilder machen zu können, nahm Marcelo die Kunststofftischdecke vom Tisch. Darunter kam Naturholz zum Vorschein. Trotz Unebenheiten und größeren Spalten zauberte der Tisch jetzt eine ganz andere Stimmung in den Raum. Und dann wurde es herrlich skurril. Marcelo legte eine seiner beiden deutschsprachigen in seine Anlage. Und so aßen wir unsere erste Weißwurst bei Marcelo mit „blau, blau, blau blüht der Enzian“ von Heino! Das wird uns ewig in Erinnerung bleiben!

Natascha begeisterte bei unserem ersten Aufenthalt in Polloico mit ihren Kuchen. In Marcelos Hof fielen zu dieser Zeit viele Kastanien von den Bäumen. Und so war der Wunsch Marcellos nach einen Kastanientorte nur naheliegend. In einem uralten Kochbuch fand er ein entsprechendes Rezept, ich schälte die Kastanien bis ich Blasen an den Fingern hatte und Natascha zauberte eine herrlich schmeckende Torte aus den Zutaten. Doch auch geröstet am Abend oder in meinem Eintopf machten sich die Maroni sehr gut. Und so hatten wir weitere ungeplante Snacks oder Beilagen.
Das Huhn bereitete ich auf eine Art zu, die Marcelo sicher nicht kannte. Es wurde ein Huhn „a lá mama“. Dazu würzte ich das Huhn innen wie außen kräftig mit Salz, Pfeffer, Paprika und Rosmarin. Einen Teil dieser Gewürz gab ich in geschmolzene Butter und verteilte diese Mischung unter der Haut von Brust und den Beinen. In die Bauchhöhle steckte ich einige Zweige frischen Rosmarin und als Experiment auch etwas Zitronenmelisse. Dann wurde der Vogel von allen Seiten gut angebraten und kam danach mit Hals, Innereien, Knoblauch, Schalotten und anderen Zutaten über drei Stunden in den Ofen. In modernen Öfen mit gut regelbaren Einstellungen wäre es sicher schneller gar gewesen. Neben Reis machen vor allem die mit Currybutter geschmorten Pfirsichhälften das „a lá mama“ aus. Ein kulinarischer Hochgenuss!

Zu den schon beschriebenen Linseneintopf mit Cochayuyo und Lachs lud Marcelo eine befreundete Familie zu Abendessen. Inzwischen waren wir in der Lage, so einigermaßen an Gesprächen auf Spanisch teilzunehmen und so entwickelte sich ein gemütlicher Abend. Offensichtlich fühlten sich die Gäste recht wohl, blieben sie doch viel länger als geplant. Die Mutter der Familie schien eine esoterische Ader zu haben. In unseren Gesprächen erzählte ich beiläufig, dass ich mich im Wald sehr wohlfühle. Vor allem auch alleine oder gar nachts. So konnte das überhaupt nicht verstehen und erklärte, dass die Bäume im Wald gefährlich seien und böse Energien ausstrahlten. Auch wenn ich ganz andere Erfahrungen gemacht hatte, war es interessant, ihr zuzuhören.

Marcelo hat ein besonderes Verhältnis zu alten Dingen und zu Schrott. Und wenn es um alte Druckmaschinen geht, ist er als Designer und Künstler Feuer und Flamme. So hat er unter anderem eine uralte Maschine aus Heidelberg vor der Schrottpresse gerettet und ihr wieder Leben eingehaucht. Er erklärte, die sei der Rolls Royce unter den Druckmaschinen. Ich half ihm dabei, das weit über eine Tonne schwere Ungetüm an einen besseren Platz zu zerren und zu drehen. Die Unterlage machte einen sehr wackligen Eindruck und mir war zunächst überhaupt nicht wohl dabei. Doch abgesichert durch eine Spanngurte erledigten wir dann den kleinen Umzug und Marcelo brachte die Maschine wieder zum Laufen. Natürlich fehlen noch einige Kleinigkeiten, um damit wirklich drucken zu können. So gibt es noch Probleme mit dem Anheben des Papiers, offensichtlich ist das Vakuum noch nicht stark genug eingestellt. Doch bin ich mir sicher, Marcelo wird auch diese Probleme noch lösen. Inzwischen hat er die Gestaltung von individuellem Papier erfolgreich getestet. Gefallenes Laub in den Herbstfarben wurde für einige Tage in Alaun getränkt. Dann wurde Blatt Papier mit etwas Laub belegt, dann wieder ein Blatt Papier, darauf wieder Laub und so weiter. Den ganzen Stapel legte Marcelo auf ein massives Gitter, das in einen großen Topf mit Wasser platziert wurde. Das Ganze stellte Marcelo auf den Ofen und wartete einige Stunden. Der Wasserdampf stieg auf und drang durch den Stapel aus Papier und Laubschichten. Vorsichtig wurden die einzelnen Blätter vom Laub befreit, zurück blieben die Abdrücke in warmen Herbstfarben. Später möchte Marcelo solches Papier in größeren Mengen herstellen und danach bedrucken. Dazu hatte er auch große Mengen an alten Buchstaben vor dem Verschrotten bewahren können.

Während unserer Zeit im Süden Argentiniens veränderte sich einiges am Hof. Die meisten Blättern waren von den Bäumen gefallen. Die Farben Grün, Gelb und Orange wurden immer mehr durch dreckig-rote und braune Töne verdrängt. Das Gras im Hof und auf den Feldern war weniger und lichter geworden und gaben so etwas mehr der zugewachsen Schrott-Oldtimer frei. Morgens waren die verbliebenen Pflanzen mit Raureif überzogen. Und so erschienen die mir so bekannten Motive in einem ganz anderen Licht. Auch die beiden Chevys präsentierten sich anders. Die Nachbarscheune war inzwischen zu großen Teilen eingestürzt und so wurden die beiden morbiden Klassiker auch von der frühen Sonne ins rechte Licht gerückt.

Apropos Licht. Manchmal mussten wir ganz ohne auskommen. So viel während der Zubereitung des Pfirsich-Huhns für einige Zeit der Strom aus. Zwar plazierten wir einige Kerzen im Raum, doch zum Kochen war das bei weitem nicht ausreichend. Und so trugen Marcelo und ich je eine Stirnlampe. Laut Natascha, die die Szenerie von außen durch das große Fenster beobachtete, sahen wir aus wie zwei Aliens aus, die recht unregelmäßig durch den Raum huschten. Noch schlimmer, weil viel länger anhaltend, war ein Stromausfall einige Tage später. Ximena war mit ihren Töchtern im Haus und wieder gab es keinen Strom. Diesmal lag es an einer defekten Stromleitung in einiger Entfernung. Und so gab es weit und breit kein künstliches Licht. Es war toll, ohne jegliche Lichtverschmutzung den Himmel beobachten zu können. Als dann irgendwann das Licht wieder anging war es, als ob jemand das Licht in der Natur ausschaltete. Sterne und Bäume verschwanden wieder in tiefem Schwarz, überstrahlt von künstlichen Lichtquellen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert