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Südamerika erleben

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Salta – Eindrücke und Gedanken

Am Ende haben uns die Probleme rund um Pattys Motor mit Unterbrechungen fast zwei Monate in und um Salta beschert. Natürlich kam immer wieder mal Frust auf, vor allem auch deshalb, weil alles viel schneller und billiger hätte erledigt sein können. Doch dieser recht lange Zwangsaufenthalt hatte auch seine guten Seiten. So war es uns möglich, viel tiefer in diese tolle Stadt einzutauchen, den Einzug des Frühlings mitzuerleben und die Stadt in immer anderen Farben zu sehen.

Salta – Tan linda que enamora.

 

So wirbt die Stadt Salta auf Bussen, Plakatwänden und anderen Orten für sich. Die Stadt sei also so süß, so schön, dass man sich in sie verlieben muss. Ohne die Probleme mit dem Kühlsystem wären wir vermutlich nie nach Salta gefahren. Und zunächst waren wir auch nur mit der Suche nach der Nissan-Werkstatt beschäftigt. Dabei fuhren wir durch Stadtviertel und Straßen, die eher abstoßend wirkten, in keinem Fall aber ein „sich verlieben“ auslösen konnten. Dabei stellte sich erneut heraus, dass wir uns nicht auf die Angaben im Internet verlassen können. So fanden wir an der angegeben Adresse statt einer Werkstatt eine freie Fläche, auf der sicher noch nie eine Autowerkstatt stand. Nach einigen Fragen und verschiedenen Hinweisen fanden wir schließlich die Werkstatt. Sie lag nur wenig vom historischen Zentrum entfernt. Schon die Fahrt dorthin zeigte ein sehr freundliches und lebendiges Salta mit vielen, schönen Kolonialbauten. Hinter dem Monument des Martin Miguel de Güemes, einem Revolutionär und General des argentinischen Unabhängigkeitskrieges, auf dem Parkplatz des anthropologischen Museums, fanden wir einen ruhigen Schlafplatz. Sogar unsere Wassertanks konnten wir dort auffüllen. Ein Erkundungsspaziergang in der ersten Nacht zeigte viel Flair, tolle Bars und gemütliche Restaurants. Jetzt fühlten wir uns richtig wohl.

 

 

Messe, Museen und Milagros

 

Neben dem Flair hat Salta noch viel zu bieten. War das anthropologische Museum schon recht nett, beeindruckte das Museo de Arqueologia de Alta Montana, also das archäologische Museum des Hochgebirges, durch eine tolle Story, ausgefallene Exponate und eine sehr gelungene Gestaltung.

Im Jahr 1999 haben Archäologen auf dem Thron der Inka, dem 6739 Meter hohem Llullaillaco an der nördlichen Grenze Argentiniens zu Chile, drei sehr gut erhaltene Kindermumien geborgen. Wenige Bilder dieses tollen Museums sind in den Galerien zu Salta zu sehen, doch dann entdeckte ich den Hinweis, dass das Fotografieren im Museum verboten ist.
Auf der Messe EXPO RURAL konnten wir dagegen ohne Probleme Bilder machen. Besonders angetan waren wir von den Reitdarbietungen und den schönen Pferden, die dabei zu sehen waren. Vermutlich ganz normal, sah ich jedoch zum ersten Mal, dass auch Pferde mit viel Haarspray hübsch gemacht werden. Rinder und Schafe wurden prämiert und natürlich auch gegrillt – schließlich ist das hier Argentinien. Auffallend war, dass wir bei unserem mehrstündigen Besuch auf der Messe keine Indigenas sahen. Es wirkte auf uns, als sei dies eine Veranstaltung von und für die Weißen in Salta und Umgebung.

Ganz anders ist das Bild bei den Pilgerströmen, die anlässlich der Fiesta Señor y Virgen del Milagros oft tagelang unterwegs sind, um schließlich am 15. September an den großen Messen in Salta teilzunehmen. Hier wirkt der Anteil der Indigenas sehr hoch. Wir kamen gerade von einer Testfahrt aus dem Hochgebirge zurück, als wir auf die ersten Pilger trafen. Zunächst dachten wir, es handele sich um einen Protestmarsch der Urbevölkerung, überall Banner und Fahnen. Doch bald war klar, dass es sich hier um eine religiöse Veranstaltung handelt. Laut Internet ist dies sogar das größte christliche Fest Südamerikas! Kurz überlegten wir uns, auch in die Stadt zu fahren und das Spektakel auf uns wirken zu lassen. Doch beim Anblick der Menschenmassen, die auf den Straßen Richtung Zentrum drängten, konnte ich mir nicht vorstellen, wie wir das Zentrum hätten erreichen können.

 

 

Die Menschen dieser Stadt

 

Auf uns wirkten die Menschen hier viel entspannter als wir es aus der Heimat gewohnt waren. Kein Drängeln oder Hupen, keine Hektik, stattdessen sieht man meist eine angenehm wirkende Mischung aus Gelassenheit und Quirligkeit, außer zur Siesta. Da werden in der Stadt die Bürgersteige hochgeklappt und die Innenstadt wirkt wie ausgestorben.

Wenn man in die Gesichter der Leute schaut, glaubt man viele glückliche oder zufriedene Menschen zu erkennen. Dabei geht es den meisten wirtschaftlich sicher nicht so gut. Einzig ein Straßenmusikant hatte ein etwas verbissenes Gesicht. Doch vermutlich sah dies nur so aus, seine Musik klang zwar etwas melancholisch, aber äußerst warmherzig. Aber vielleicht wirken die Leute nur so und die Realität ist eine andere?

Sehr interessiert haben mich die Strassenverkäufer in all ihrer Vielfalt. Das fängt an mit dem offensichtlich illegalen Anbieten von Kleidung, oft Socken und Unterwäsche, auf schnell ausgebreiteten Plastikfolien. Kommt die Wirtschaftsaufsicht, wird alles schnell zu einem Bündel gepackt und über die Schulter geworfen. Hat man allerdings gerade einen Kunden, wird das Geschäft noch abgeschlossen – vor den Augen der Aufsicht. Und ist diese dann wieder 50 oder 100 Meter weiter weg ,wird die Folie wieder ausgebreitet und das Spiel geht von vorne los. Einige brauchen gar keine Folie, denn sie haben nur eine Schachtel mit Billigfeuerzeugen oder Kugelschreiber dabei. Und dann wird alle paar Sekunden gerufen. „dos por quince“, also 2 für 15 Pesos. Allerdings scheint es so, dass abends, nach Ladenschluss, das Verkaufen von Waren auf Plastikfolien in der Innenstadt legal ist. Keiner rennt davon, die „Marktstände“ sind viel aufwendiger und es gibt fast nichts, was es nicht zu kaufen gibt.

Eine ganz andere Gruppe sind die Menschen mit ihren mobilen Küchen. Es scheint so, als ob sie Tag ein, Tag aus ihre Küche aufbauen und teilweise den ganzen Tag dort mit Ihrer Familie verbringen. Angeboten werden oft Empanadas (mit Käse, Fleisch oder Huhn gefüllte Teigtachsen) oder Humitas (eine aufwendig hergestellte Maismasse, die meist mit Hackfleisch und anderen Zutaten gefüllt und mit Maisblättern zu kleinen Päckchen geschnürt und gegart werden). Oft wird aber auch gegrillt.
Neben all dem findet man Verkäufer für Obst und Gemüse mit teils abenteuerlichen, selbstgebauten Verkaufsständen, Verkäufer von Popcorn und Zuckerwatte, Anbieter von Obstsäften mit Früchten, Fruchtgelatinen oder frischgepresstem Orangensaft. Aber auch Brillen, Schmuck, Selfiesticks und vieles, vieles mehr kann auf der Strasse gekauft werden. Einige wenige verkaufen auch gar nichts, sie betteln. Und die Bereitschaft, ihnen etwas zu geben, ist scheinbar gar nicht so klein.

Wie schon auf der EXPO RURAL beobachtet, scheint es eine tiefere Abgrenzung zwischen Weißen und den Indigenas zu geben. Die Strassenverkäufer rekrutieren sich hauptsächlich aus der Gruppe der Indigenas. Für deren Frauen ist es auch völlig normal, ihr Baby während des Alltags zu stillen, ganz egal, ob sie gerade durch die Stadt schlendern, im Supermarkt einkaufen oder in der Bank warten. Dagegen werden die teils irrwitzig hohen Schuhe wohl nur von weißen Frauen getragen.

 

 

Busfahren, Tag der deutschen Einheit und Charlie Chan

 

Obwohl wir vorher nur einen netten Abend zusammen verbracht hatten, bot uns ein Deutscher spontan sein Gästezimmer an, als er von dem Motorschaden erfuhr. Er wohnt etwas außerhalb der Stadt in der Nähe des Flusses, wo wir einige idyllische Grillabende verbrachten. Bei mehr als 15 Kilometer Entfernung zum Stadtzentrum habe ich die Idee, zu Fuß dorthin zu gelangen, sehr schnell wieder beerdigt. Das Taxi wäre auf Dauer recht teuer gekommen und so hieß, das lokale Bussystem kennenzulernen. Die einzelnen Linien können gut im Internet nachgeschaut werden, soweit man etwas Spanisch beherrscht. Schwieriger war es schon, an eine entsprechende Karte zu kommen. Busfahren in Salta funktioniert ausschließlich bargeldlos. Man kauft sich eine entsprechende Karte, lädt diese auf und bei jedem Betreten wird am Lesegerät mit einem deutlich wahrnehmbaren „Piep“ der Fahrpreis abgezogen. Jede Fahrt kostet gleich viel, man bezahlt also das Eintreten in den Bus, nicht die Strecke. Nur waren die Verkaufsstellen nicht so leicht zu finden. Nachdem fünf Kioske, zu denen wir geschickt wurden, geschlossen hatten, waren wir endlich erfolgreich. Ab in den Bus!

Busfahren hier unterscheidet sich deutlich von dem, was wir aus der Heimat kennen. Man hält den richtigen Bus einfach mit ausgestrecktem Arm an, scheinbar teilweise auch außerhalb der Haltestellen. Die Busse kommen mit hoher Geschwindigkeit auf Dich zu und bremsen erst sehr spät. Während dessen sind die Türen längst offen und die aussteigenden Fahrgäste befinden sich teilweise schon auf dem Trittbrett. Im Bus fällt sofort auf, dass hier mit Handschaltung gefahren wird. Außerdem wirkt alles viel einfacher, aber auch deutlich robuster. Es gibt sehr viele Busse in Salta, nicht wenige davon wurden von Mercedes gebaut.

Der Bus ist hier für sehr viele Leute das Hauptverkehrsmittel. Doch genau an dem Tag, an dem wir das erste Mal in die Stadt fahren wollten, gab es einen Generalstreik. Und so fuhren auch keine Busse. So weit außerhalb, wie wir uns befanden, kam aber auch kein Taxi vorbei. Uns blieb also nur, per Anhalter zu fahren. Nach gefühlten 10 Minuten hielt auch tatsächlich ein Auto. Eine Indiofamilie fuhr mit ihrem uralten Peugoet Pick-Up, ein rostig roter und verbeulter 504, in die Innenstadt. Wir durften auf die Ladefläche klettern und hatten so einen ungetrübten, jedoch sehr luftigen Blick auf den Weg ins Zentrum.

Auch einige Deutsche lernten wir durch unseren Zwangsaufentahlt in Salta kennen. Alle zusammen trafen wir anlässlich einer Feier zum Tag der Deutschen Einheit. Im Kulturzentrum, direkt neben dem Konsulat gelegen, in dem ich mir Wochen zuvor die ersten Tipps bezüglich einer Autorepatur holte, versuchte man mit Bier, Kraut mit Würstel und etwas, was Apfelstrudel hätte sein sollen, ein wenig Deutschlandflair zu verbreiten. Das wirklich Interessante waren aber die äußerst unterschiedlichen Charaktere, diean unserem Tisch saßen. Da war zunächst unser ehemaliger Gastgeber, der uns in unserer Notlage sofort sein Gästezimmer angeboten hatte. Sicher, wir hätten natürlich auch gut in Patty schlafen können. Unser guter Camper parkte zunächst vor einer Werkstatt nicht weit weg vom Stadtzentrum und all unsere Sachen waren daher um uns. Leider ging dann das „Helfenwollen“ in eine falsche Richtung. Statt der angefragten Übersetzungshilfe (unser Spanisch ist, bzw war zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausreichend, um alles mit den Mechanikern klären zu können), wurde – ohne uns zu fragen – Patty ausgelöst und in eine andere Werkstatt geschleppt. Dazu später und an anderer Stelle mehr. Überhaupt fühlte sich das „Helfen“ immer mehr wie ein „Missionieren“ an. Ein Nissan, das gehe ja gar nicht! Ich solle doch den Wagen in Peru verkaufen und mir einen Toyota SingleCab (also einen Zweistzer Pick-Up) in Argentinien kaufen. Dann wäre alles gut. Dann müsse ich auch nicht mehr so unbequem in einem Auto schlafen. Denn wer mache dies schon freiwillig, wenn er auch in einem guten Hotel schlafen könne. Abgesehen davon, dass sowohl ein Verkauf von Patty als auch ein Kauf eines Toyotas weder möglich noch sinnvoll gewesen wäre, wurde uns schnell klar, dass hier das Verständnis für andere Ansichten oder Lebensphilosophien nur recht gering ausgeprägt war. Und so wurde das Verhältnis leider immer belasteter. Schließlich sagte er mir in unserem letzten Gespräch, dass mir doch inzwischen drei Leute aus Salta gesagt haben, ich müsse den Nissan verkaufen und mir einen Toyota zulegen. Aber ich wüsste ja alles besser, mir sei leider nicht zu helfen! Doch als Hilfe erbat ich mir lediglich etwas Unterstützung bei der Kommunikation mit der Werkstatt. Dies ist übrigens nie geschehen. Der Kontakt existiert heute nicht mehr.

Ganz anders elebten wir den deutsche Konsul in Salta, Dr. Werner Gräfe, den wir im Rahmen der Feier erstmals persönlich kennen lernten. Er wirkte sehr nett und sympathisch auf uns und hat eine sehr gemütliche Ausstrahlung. Als „Noch-Konsul“ (er wartet nur noch auf die offizielle Einführung seiner Nachfolgerin)  kennt er natürlich sehr viele Leute. So gab es leider kaum eine Gelegenheit, sich mit ihm zu unterhalten. Dies konnten wir einige Tage später, in einem Café im Stadtzentrum, nachholen. In einer ungewöhlich kurzweiligen Unterhaltung stellten wir fest, dass er mit seinem Geländewagen (übrigens ein Toyota) vor vielen Jahren eine sehr ähnliche Geschichte durchgemacht hat. Er fährt den Wagen noch heute. Werner ist ein wirklich cooler Typ. Er fährt im Alter von 65 Jahren am späten Abend auf Ü30-Partys oder erkundet Deutschland im Dachzelt auf einem ziemlich alten Mercedes. Sehr beeindruckt hat uns seine Entscheidung, deutlich vor dem Renteneintrittsalter die Reißleine zu ziehen, sein sicher recht gut gehendes Hotel zu verpachten und stattdessen das Leben zu genießen. Eine sehr sympathisch Lebenseinstellung! Wir haben noch immer regelmäßig Kontakt mit Werner und wenn uns unser späterer Weg Richtung Feuerland wieder in die Nähe von Salta führt, werden wir uns sicher wiedersehen. Wir freuen uns schon darauf!

Und was hat jetzt Charly Chan in einem Bericht über Salta zu suchen? Für diejenigen, die Charly Chan nicht kennen: Er ist ein Detektiv mit chinesichen Wurzeln, der auf seine ganz eigene Art verschiedenste Kriminalfälle löste. „Entschuldigung, bitte“ zum Beginn eines Satzes, oder ein „Danke sehr, vielmals“ waren Markenzeichen der deutschen Version dieser Filme, die ab den Vierziger Jahren in schwarzweiß gedreht wurden. Und jetzt die Beziehung zu Salta: nachdem wir nicht mehr in das Gästezimmer zurück wollten (vielleicht hätte man uns auch gar nicht mehr aufnehmen wollen) suchten wir uns ein Hostel in der Stadt. Und zwar eines mit Innengarten und Grill, schließlich wollten wir die Zeit ja auch genießen. Das Zimmer war okey, die Betten auch, aber gut schlafen konnten wir nicht. Und ich fand nicht die richtige Stimmung, um weitere Beiträge für unsere Webseite zu verfassen. Da waren noch zu viele Emotionen in mir, die aus meiner Sicht in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben Also blieb die Ablenkung. Da wir ein einigermaßen vernüntiges WiFi hatten, schauten wir uns so jede Nacht eine Folge von Charly Chan an. Das war Kindheitserinnerung auf der einen Seite, Zerstreuung auf der anderen. Bleibt noch eine kuriose Randnotiz zum Thema Hostel. Nach wenigen Tagen merkten wir, dass jeden Abend und jede Nacht verschiedene Männer im Wechsel auf einem Hocker vor einer Zimmertür saßen. Alle hatten sie ein Funkgerät dabei. Bald stellte sich heraus, dass sich ein junger Engländer unter Hausarrest befand und rund um die Uhr von Polizei bewacht wurde. Wir waren uns sehr sicher, dass niemand in unser Zimmer einsteigen würde.

Eigentlich war der Schaden am Motor gar nicht so groß. Ein gerissener Zylinderkopf, offensichtlich als Folge des falsch zusammengebauten Motors bei der letzten Motorüberholung und der daraus relustierenden deutlich erhöten Temperaturen. Leider wurde daraus eine lange andauernde, teure und sehr nervende Angelegenheit, die wie niemandem auf dieser Welt wünschen. Doch letztlich hatte diese lange Zeit in Salta auch etwas sehr gutes für uns beide. Wir wurden zur Langsamkeit gezwungen, quasi entschleunigt. Von uns aus hätten wir uns dies nie zugestanden. Doch nur so konnten wir Dinge erleben, sehen und fühlen, die uns sonst verborgen geblieben wären. Ich meine zu spüren, dass dies Auswirkungen weit über Salta hinaus haben wird!

 

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